Der Rehbock von Heinrich Toball
Bei einem Rittergutsbesitzer war
stets zum Besuch die Jägerschar.
Auf seinem Gut war Wild in Menge,
oft hörte man des Waldhorns Klänge,
das Herrenhaus war niemals leer,
den Jägern es gefiel dort sehr.
Dem Herrn wurd‘ schließlich dies zur Bürde.
Wie los er die Gesellschaft würde,
war bald sein Sinnen Tag und Nacht,
und endlich hat er’s auch gemacht.
Beim Frühstück alle Jäger saßen
und tüchtig tranken, sehr gut aßen,
als meldete der Hofmann laut:
„Am Wald in dem Kartoffelkraut
ein großer, schöner Rehbock steht,
soeben hab‘ ich ihn erspäht.“
Die Jäger auf vom Frühstück sprangen,
um schnell den Rehbock abzufangen.
Im Nu war alles aus dem Haus,
zwei Jäger waren bald voraus.
Sie pirschten, bald ein Schuß auch fiel,
doch schlecht getroffen war das Ziel.
Der zweite Schuß es besser machte,
den feisten Bock zur Strecke brachte.
Mit Weidmannsheil, Triumphgeschrei
zum Bocke lief die Jägerei,
doch da war statt der Freude Zorn,
man stieß nicht in das Jägerhorn
und schimpfte: das gibt Stoff zu Glossen,
denn nur ein Schafbock war geschossen,
ein Rehfell war ihm umgebunden,
ein braunes Band ums Horn gewunden.
Der Jäger Ärger war sehr groß,
der Gutsherr war die Gäste los.
Aus: Lorbasse und andere Leutchen;
Verlag Gerhard Rautenberg, Leer, 1995