Dr. Alfred Lau

Statt einer Biographie folgt hier ein Artikel aus „Der heimattreue Ost- und Westpreuße“ (Heft 6 vom 1.Juni 1938) über die Dichtungen von Dr. Alfred Lau, in dem auch sehr viel Grundsätzliches über die ostpreußische Mundart gesagt wird.
Die Mundartlichen Dichtungen von Alfred Lau

Von Erich Schattkowsky

In allzu bescheidener Beurteilung seines eigenen künstlerischen Schaffens hat Dr. Alfred Lau, der seinen Landsleuten schon lange bekannte und vertraute Verfasser der „Augustebriefe“ und „Schabbelbohnen“, noch unlängst von sich gesagt: „Für einen Dichter habe ich mich nie gehalten, ich habe mich auch nie als Dichter ausgegeben. Ich bemühe mich lediglich, mit der mir verliehenen Gabe das Leben von der fröhlichen Seite zu nehmen, auch recht vielen anderen Menschen eine Freude zu bereiten.“ Wenn diese schlichten Worte auch die anspruchslose Art und heitere Lebenseinstellung des liebenswerten Menschen mit dem fröhlichen Herzen fein kennzeichnen, so werden sie doch dem weit gespannten Streben und vielseitigen Schaffen des Künstlers nur in einem Teile gerecht.

Alfred Lau ist seinen Landsleuten mehr geworden als nur ein Freudenbringer und seinem Heimatland noch etwas anderes als allein der beliebte Humorist. Die von ihm veröffentlichten und viel gelesenen Dialektarbeiten erfreuen nicht nur alt und jung, hoch und niedrig durch ihren „harmlosen Humor“, sondern sie führen gleichzeitig in reizvoller Ungezwungenheit in den mannigfachen, unerschöpflichen Reichtum unseres Heimatdialektes ein. Als gründlicher Kenner und treuer Hüter der ostpreußischen Mundart hat sich Alfred Lau den unumstrittenen Anspruch erworben, mit allen den Männern und Frauen in einer Reihe genannt zu werden, die sich um die Wiederbelebung und Erhaltung alten wertvollen heimatlichen Kulturgutes verdient gemacht haben.

Die einzigartige Kenntnis der heimatlichen Mundart verdankt Lau der ländlichen Umgebung, in der er aufwuchs. Die in dem Dorfe Tammowischken, Kr. Insterburg, bei seinen Großeltern verlebte Jugendzeit und der stete Umgang mit Landarbeitern, Knechten und Hütejungen weckten schon in dem Kinde eine unverkennbare Vorliebe für dies einfache Volk, seine urwüchsige Lebensart und seine unverfälschte Sprechweise. Die vom Knaben gewonnenen Eindrücke und Anregungen formten sich dem Manne später mit zwingender Gewalt zu Gestalten und Bildern und gaben ihm die unerschöpflichen Gedanken für seine Dialektarbeiten.

Die bekanntesten mundartlichen Dichtungen Laus, die seine völlige Vertrautheit mit der volkstümlichen Redeweise seiner Heimat eindeutig beweisen, sind wohl die jetzt im Verlag Gräfe und Unzer in Koenigsberg/Pr. erschienenen „Heimatbriefe der Auguste Oschkenat aus Enderweitschen per Kieselischken“, die in kaum zu übertreffender Weise zeigen, wie „Auguste in der Großstadt“ als Dienstmagd in die verschiedenen Situationen gerät und sich mit ihrer ungebrochenen Naturhaftigkeit behauptet. Seit dem Jahre 1925 hat diese echt ostpreußische Marjell durch den unwiderstehlichen Humor ihrer in sieben Bändchen veröffentlichten 56 Heimatbriefe eine stetig wachsende, immer erwartungsfrohe Lesergemeinde erfreut. Ungefähr 60 weitere Briefe harren noch der Herausgabe, bis der beruflich vielbeschäftigte Intendant, der ehrenamtlich noch im Reichskultursenat, Gemeinderat der Stadt Königsberg und verschiedenen Aufsichts- und Verwaltungsräten tätig sein muß, Zeit und Sammlung findet, wieder Dichter sein zu dürfen. Für den durchschlagenden Erfolg und starken Eindruck dieser Auguste-Briefe sei von unzähligen Beispielen nur ein kleines, aber äßerst beweiskräftiges Erlebnis angeführt. Während diese Worte über Alfred Laus Wollen und Wirken die Seiten füllen, kommt einem gerade anwesenden befreundeten Landsmann ein Auguste-Bändchen in die Hände, das er interessiert aufschlägt. Mit unverfälschtem heimatlichen Tonfall und behaglichem Schmunzeln gibt er die Schlußzeilen des 18. Briefes wieder:

„Nu hau ich mir hin und schlaf, daß ein Aug nich es andere sieht, ich will bloß noch dem Brief zuläcken und die Adress raufschreiben, daß ich ihm morgen frieh, wenn ich beim Kaufmann geh, gleich anne Eck reinschmeißen kann. Das winscht Eich Eire treie Tochter Auguste.“

Ein warmer Freudenschimmer legt sich wie eine weiche, schmeichelnde Hand über sein breitkantiges, nun ganz heimatlich nahes Ostpreußengesicht, als er von der Zeit erzählt, da er mit einem Kreis ebenfalls aus Ostpreußen stammender Berufsgenoßen voll brennender Ungeduld die fällige Wochennummer der von Alfred Lau gegründeten und zur „Ostpreußischen Sonntagspost“ ausgebauten „Ostpreußischen Dittchenzeitung“ erwartete, um sich dann sogleich mit vollem Behagen dem neuesten Augustebrief hingeben und an Glossen, Humoresken und Versen in heimatlicher Mundart ergötzen zu können, in denen jedes Mal ein Stück Heimat lebendig wurde.

Durch ihre Erfolge als Briefschreiberin ermutigt, hat das Dienstmädchen aus Enderweitschen auch „die weltbedeutenden Bretter betrampelt“ und konnte auch dort einen Erfolg erzielen, wie er nicht gerade vielen Theaterstücken beschieden ist. „Auguste“, die große ostpreußische Dialektposse in drei Akten mit Gesang und Tanz von Dr. Lau, die nicht gedruckt erschienen, wohl aber im Opernhaus Königsberg mit sehr großem Erfolg uraufgeführt und im Wilhelm-Theater zu Danzig mit ebenso großem Erfolg oft wiederholt, außerdem in Elbing und in vielen Vereinen gespielt worden ist, dient gleichfalls den Bemühungen des Dichters, „unserer Mundart stärkere Geltung zu verschaffen“. In dieser Beziehung ist das Theaterstück, dessen Handlung von der Bühne herab Hunderte und Tausende in gemeinsamem, gleichzeitigem Erleben unfaßt und so ein stärkeres Echo in der Öffentlichkeit findet, ein noch wertvollerer Helfer als das Buch, das gemeinhin nur den einzelnen Menschen beeindruckt oder zu einem kleineren Kreise redet.

Nicht nur in seinen Prosawerken, sondern auch in seinen Versen und Gedichten setzt Alfred Lau der ostpreußischen Mundart ein lebendiges Denkmal. Seine beiden ebenfalls bei Gräfe und Unzer in Königsberg erschienenen Gedichtbändchen „Schabbelbohnen“ erfreuen sich kaum geringerer Beliebtheit als die Auguste-Briefe. Mit ihrem originellen Namen, der sofort „die ostpreußische Küche“ verrät, wollen sie jedem Eingeweihten sagen, „daß hier die Heimat zu ihm spricht“.

Die Vielgestaltigkeit und Unerschöpflichkeit der heimatlichen Mundart in Alfred Laus Dialektdichtungen ist geradezu erstaunlich. Der Reichtum der Worte, die Fülle des Ausdrucks und Redewendungen, die selbst alten, bodenständigen Ostpreußen nur noch zum Teil gegenwärtig sind, verraten Laus umfassende Kenntnis der volkstümlichen Sprechweise wie auch sein Einfühlungsvermögen in die Gedankenwelt des Volkes und seine Wesensart. Die Fülle der von Lau entdeckten, aus dem Volke stammenden und wieder ins Volk zurückgeleiteten ostpreußischen Ausdrücke und Wortverbindungen ist so groß, daß sie uns überfällt und mitreißt wie sein „Feuerwerk“, in dem

„Es zischt und bumst und prasselt
pardauzt und feift und knallt
wie bei e Roemerhordens
im Teutoburger Wald.
Es streit mit große Sterne
In gelb und rot und grien,
und zwischendurch Raketens
mit helle Zagels ziehn.
Se schießen durche Gegend
Und platzen oben auf,
begeistert steht de Menschheit
und kickt von unten rauf.“

Welche ungeahnten Ausdrucksmöglichkeiten entfaltet die bescheidene ostpreußische Mundart in dem Gedicht „De Scherbelei“, das kraftvoll unser blasses hochdeutsches Wort „Tanz“ ersetzt und durch eine ganze Reihe bunter und lebendigster mundartlichster Bezeichnungen veranschaulicht:

„Denn geht los mit Hoppsen, Schlackern,
Trampeln, Schieben und Zerrackern,
Kullern, Wackeln, Dulksen, Dreh’n,
Scheiweln, Pirzeln, Koppchestehn.
Alles murchelt und machachelt,
un de Stub is eingekachelt,
daß auch jedem orndlich schwitzt,
bis der Tanz so richtig sitzt.“

Während die volkstümlichen ostpreußischen Gerichte in stattlicher Zahl in dem Gedicht „Ostpreußische Speisekarte“ aufmarschieren, mit „Beetenbarsch und saurem Kumst,… Karmenad und Reicherwurst, Silz und Streiselfladen, Wickelfieß und Rinderfleck,…Bruken, Keilchen, Flaumenkreid, Klops und Räderkuchen“ und mit weiteren heimatlichen Spezialitäten gradezu aufreizend auf die Magennerven wirken, wird in dem Gedicht „Wie is de Welt bloß roh!“ das ganze Register saftiger, ausdruckskräftiger Schimpfworte gezogen: „Prickel, Kraet und Limmel…, alter Dussel, Pojatz und Rabauk, Lorbas, schorw’ger Kerdel und Lachudder, Lauks und Dammlack, Kuigel und Posauk.“

Die ungeheure Wortbereicherung, die unsere ostpreußische Mundart durch Alfred Laus Dialektarbeiten erfährt, ist ohne Zweifel ein großer Vorzug seiner Werke, der aber in erster Linie die erfolgreiche Arbeit des Sprachkenners und Sprachforschers kennzeichnet. Allein dem Dichter Lau ist es gegeben, die Erlebnisstärke und den seelischen Gehalt der ostpreußischen Mundart zu erfassen und festzuhalten. Ihm ist die heimatliche Sprechweise mehr als ein bloßes Ausdrucksmittel. „Die ostpreußische Mundart in ihrer gemütlichen Breite, ihrer Eigenart der plastischen Ausdrucksfähigkeit und ihrem umfangreichen Wortschatz, ist mehr als sprachliches Verständigungsmittel, sie ist Erlebnis. Begriffe wie „beschicken“, „pranzeln“, „glupsch“ usf. sind sozusagen Momentaufnahmen ganz bestimmter Situationen, an die der gebürtige Ostpreuße sofort erinnert wird, wenn er die Ausdrücke hört oder liest. Er ergänzt sie zu Bildern, die allerdings, da sie Sondererlebnisse des Einzelnen sind, bei jedem verschiedenartig aussehen. Wenn Auguste Oschkenat an ihre Elterchens schreibt und ihnen breit und anschaulich erzählt, wie sie zu Ostern Eier „geforben“, sich „ganz abgekrängelt“ und „aufgerebbelt“ hat, wie sie „alle Stubens aufkraasseln“, „dem Teppich aufem Hof auskloppen“ und mit „em Siebenzagel beaasen“ mußte, und wenn die urwüchsige Marjell weiter von ihrer Dienststelle berichtet, daß der Sohn „Aerwin, der Gnubbel immer „Aufem Eisschrank gield“, „mittem Finger im Kuchen reinspickt“, „ein Lochche am andern machd“, „de Rosinen rauspuld und dem ganzen Kuchen begnabbelt“, den anderntags die Gäste „verdrickt“ haben, dann vergißt Auguste, daß „ihr zu Haus bangd“, und Heimatluft umweht sie tröstlich und stärkend. Mit Auguste aber, deren kraftvolle, heimatgebundene Art das ganze, nie ruhende Heimatsehnen aller von der Heimat getrennt lebenden Landsleute sinnbildhaft umschließt, wird auch uns das Herz warm und leicht, wenn aus ihren Briefen mit ihrer vertrauten Ausdrucksweise das Bild der fernen Heimat mit greifbarer Deutlichkeit vor uns aufsteigt und unverfälschtes ostpreußisches Volks- und Menschentum zu uns spricht.

„Die ostpreußische Mundart bleibt das lebensstärkste Band, das den Ostpreußen mit seiner Scholle vereint. Anspruchslos und eigenartig, in dieser Hinsicht von keiner deutschen Mundart erreicht, bildet sie eine unerschöpfliche Fundgrube für heimatliche Art und heimatliche Gedankenwelt“. Alfred Lau, der sich in ernster Arbeit bemüht hat, recht viele „Tropfen aus dem Wunderquell“ des Heimatdialektes zu erhaschen, ist zum vorzüglichen Kenner der ostpreußischen Volksseele und humorvollen Künder heimatlichen Volks- und Menschentums geworden. Gab ihm schon seine Jugendzeit Gelegenheit, unmittelbar und unverbogen volkhaftes Leben kennenzulernen, so gewährte ihm auch sein weiterer wechselnder Schicksalsweg immer neue Möglichkeiten, das Volk und seine Sprache zu studieren. Die reife Menschenkenntnis und die verständnisvolle Zeichnung der verschiedensten Charaktere seiner Dichtungen verraten Laus Abstammung von einem alten Lehrergeschlecht, wie auch die Auswirkung seines medizinischen Studiums und der verschiedenen beruflichen Betätigung vom Hauslehrer, Vertreter, Angehörigen der technischen Nothilfe, Hilfsarzt, Korrespondenten, Schriftleiter und Gauredner bis zum Leiter des Gaupresseamtes und jetzigen Intendanten des Reichssenders Königsberg. Nur der bodenständige erfahrene Mann mit dem geschärften Blick, dem sich als Dichter das eigene Erleben glückhaft zum Allgemeinerleben weitet und poetisch verklärt, kann so ursprüngliches Volkstum zeichnen wie Lau und in der Augustegestalt die ungebrochene Kraft und typische Eigenart eines ganzen Volksstammes mit liebenswürdiger Übertreibung humorvoll beleuchten.

Das unverdorbene Landkind Auguste sucht mit bewundernswerter Vitalität alle Vergnügungen ohne Unterschied auf, geht zum Zirkus und ins „Kalbarett“, besucht das „Haus der Tächnik“ und die „Redute“, besichtigt im Tiergarten „bunte Veegels, Bärens und Affens“, bestaunt im „Messeresterang“ die Ringkämpfer, „schraggeld“ mit derselben Lebensbejahung „mang der Natur“ und genießt auf ihre Art die Freuden des Badelebens in Cranz.

Mit derselben ungebrochenen Naturhaftigkeit, mit der Auguste alles in sich aufnimmt und am Radio, zu Tränen gerührt, den Heimatliedern lauscht, gibt sie sich auch gutem Essen und Trinken hin, unbekümmert um ihre 90 Kilo, die sie schon zur „Gimnasiastik“ nötigen. Von den „Kierassieren“, die sie mit Behagen getrunken hat, berichtet sie: „Das sind sieße Schnapschens und schmecken immer nach mehr“, und über das Mittagessen schreibt sie: „Zu Mittag hädden wir Schweinebraten mit rösche Schwart, das schmeckd rein zum Huckenbleiben, und denn zuletzt noch Speise, das is solch sießes Zeig, das schmeckd immer nach mehr, daß ich noch dem Löffel und dem Täller abgeläckd hab“.

Die ganze Unverwüstlichkeit der ostpreußischen Natur behauptet sich kraftvoll in Auguste, als sie am „dammlichen Daumen“ den Umlauf hat, der sie so peinigt, daß sie rein denkt, sie bleibt kein Mensch mehr und „zu nuscht Lust“ hat, „nich emal zu einem neien Breitgam“, dann kurz entschlossen den Verband abreißt, „Sprangersche Salb“ aufschmiert und mit „frischem Lebensmut“ zum Fußballspiel geht.

Die ganze unverwüstliche Marjell besitzt in gleichem Maße Zähigkeit und Behauptungswillen. Wie sie mit aller Energie die unbekannte große Stadt erobert, wo sie zuerst „mächtig verbiestert“, so findet sie sich nach manchem harten Lehrgeld auch in allen Lebenslagen zurecht, lernt mit dem elektrischen Licht umgehen, von der Straßenbahn vorschriftsmäßig absteigen, das Radio und Telefon bedienen, sich vor Dieben und Betrügern hüten, auch Körperpflege treiben, „mit die Zeit mitgehn“ und sich „mittem Bubikopp bereichern“.

Die sprichwörtliche Genügsamkeit und Sparsamkeit des ostdeutschen Menschen zeigt Auguste, wenn sie für sich neue „Koddern“ anschafft und für „e neien Hut mehr wie drei Mark“ nicht ausgeben will. Die kindliche Freude an dem billigen Sommerhut oder bescheidenen Frühjahrskleid geht trotzdem soweit, dass sie sehnsüchtig wünscht: „Wenn ich den iebre Straß geh, missen de Leite sich aller nach mir umkicken“. – Was Auguste-Briefe und Auguste-Posse an volkstümlichen Wesens- und Lebensäußerungen etwa noch vermissen lassen, das offenbaren Laus Gedichte, aus denen die Gemütstiefe und Liebe zur Kreatur ebenso deutlich sprechen, wie der Mutterwitz und die natürliche Schlauheit des ostpreußischen Menschenschlages.

Die Genauigkeit und Treue der Charakterzeichnung in Laus Werken verät den großen Menschenkenner und scharfen Beobachter, der Art der Darstellung den unerschöpflich gestaltenden und eigenwillig schaffenden Dichter. Wie jedes Bändchen der Auguste-Briefe immer „Neue Situationen, Irrungen und Wirrungen“ bringt, jedes Gedicht einen anderen Ton anschlägt und ein anderes Bild gestaltet, so hat auch jede neue Szene der Auguste-Posse neue Einfälle oder Ueberraschungen, und niemals ist zu befürchten, „daß sich Gedanken und Gelegenheiten irgendwie wiederholen werden“. Die unergründliche, nie versiegende Quelle aller neuen Gedanken und Geschehnisse ist für Lau die Wirklichkeit. Er schöpft seinen Stoff, wie er selber sagt, „aus dem Leben des Alltags“, das jede Stunde ein neues Gesicht zeigt und andere Gestalt annimmt.

Daß sich diese stets wechselnden Bilder und Gedanken trotz ihrer fast unübersehbaren Fülle unverlierbar einprägen, beruht auf der besonderen Gestaltungskraft und Ausdrucksfähigkeit des Dichters. Lau besitzt die glückliche Gabe, mit allereigensten Wendungen und bildhaften Worten Gestalten sicher zu zeichnen, Stimmungen treu wiederzugeben und Situationen anschaulich auszumalen. Das Bild des Referendars, dem sich „die Maus im Herz reinfijuchelt“ hat, ersteht mit aller Deutlichkeit wenn Auguste sagt: “ Aber er is nuscht wert, er hat e Glasaug, aber nich e richtges, nei, man bloß so e Vorsatzfenster anne Lein, wo anne West angebunden is. Und denn sagt er immer „Ä“, und Student is er auch noch und nährt sich von Deputatchens, immer ein Schnaps, ein Bier, ein Ziehgar.“ Diese Art der Charakterzeichnung, die durch Willy Repkes „Bilderchens“ eine weitere Verdeutlichunmg erfährt, läßt alle Menschen lebenswirklich erscheinen. – Die von Lau ausgemalten Situationen sind nicht weniger echt. Es sei nur an die Darstellung von Augustes Schnupfen, der „sehr beriehmten Friehlingskrankheit“, erinnert, die so natürlich wirkt, daß es uns beinahe selbst „doll inne Nas kribbeld“ und man auch „in eine Tur hapschien“ möchte, als wäre man „mittem Giebel inne Fäfferdos reingeglitscht“.

Als Dichter von ganz eigener Form zeigt sich Alfred Lau in seinen launigen Stimmungsgedichten, die in wenigen, genau hingesetzten Pinselstrichen ein ganzes Gemälde umreißen. Treffender ist ein regennasser Herbsttag kaum zu zeichnen, als wenn es drastisch heißt: „Plidder, Pladder… Wo ich hintret, nuscht als Schmadder“, und echter keine Winterstimmung wiederzugeben als in den wenigen anschaulichen Verszeilen:

„Wenn de weiße Flockens runtertorkeln
und der Welt verfärben, wo sonst grien,
kriegen alle Menschen nasse Fieße,
weil die durchne Schuhe Wasser ziehn.“

Die stärkste Seite seines dichterischen Könnens beweist Lau durch den köstlichen Humor, der alle Töne anschlagen, heiter und neckisch, launig und komisch, derb und beißend sein kann. Ob Lau den „Hassgesang gegen meinen Kragenknopf“ anstimmt, den schielenden Hund vorstellt, der „am Koppche Dackelmops, am Zagel Berhardiner“ ist, ob er „frei nach Wolfgang v. Goethe“ und „frei bearbeitet nach Friedrich v. Schiller“ dichtet oder Auguste ureigenste Wortprägungen bringen und vom „Klamatismus“, der „Rabastelkutsch“, dem „Knatterflitzeped“ oder dem „Kalbarett“ erzählen läßt, immer ist sein Humor unwiderstehlich und echt, aufheiternd und beglückend zugleich für jeden heimatgebundenen ostpreußischen Menschen.

Noch eine Saite vermag Lau anzuschlagen, zwar nicht laut, dem feinen Ohr aber dennoch vernehmlich: den lyrischen Klang, der nirgends so zart, innig und heimatlich zugleich ertönt wie in der kleinen Verszeile aus dem „Dichter-Selbstgespräch“: „Goldne Wolkchens sockden“.

So hat Alfred Lau wie nur wenige unserer Dialektdichter die starken Ausdrucksmöglichkeiten der ostpreußischen Mundart zur Entfaltung gebracht und das ihr innewohnende volkstümliche Leben einer großen und treuen Lesergemeinde erschlossen, der es bei jedem Gedicht und jedem Auguste-Brief immer wieder bewußt wird: „Das muß einer von unsere gewesen sein, weil er sich im Räden gar nich verstelld und weil er ganz genau wußd, wie zu Haus is.“

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