Die Schwiegermutter von Robert Johannes
Was ist das Gräßlichste in unserm Sein?
Was schließet oft, in sonst so traute Räume,
Den höchsten Schmerz und Höllenqualen ein?
Woher der Wunsch zu klettern auf die Bäume?
Was macht das Herz oft schlagen wild und laut?
Was macht zu Gift das Bier, das Brot, die Butter?
Es ist, o hört! Es schaud’re Euch die Haut –
‚ne alte, dürre, böse Schwiegermutter!
Wann flieht das Glück? Wann kehren Leiden ein?
Wann schleicht die Sorg‘ umher, hohl, trüb und hager!
Wann rinnt des Weibes Thräne so allein
In stiller Nacht auf gramdurchseufztem Lager?
Wann wird das arme Herz, vom Sturm erfaßt,
Des Steuers ledig, wie ein schwacher Kutter
Zerschellen und versinken? – Wenn Du hast
‚ne alte, dürre, böse Schwiegermutter!
Wer weckt der Kinder Haß? Wer macht sie scheu?
Wer treibt sie von dem treuen Vaterherzen?
Wer macht selbst wanken eines Hundes Treu?
Wer liebt das Keifen? Haßt das Singen?, Scherzen?
Wer schürt die Flamme wilder Eifersucht?
Wen nennt der Volksmund „Teufels Unterfutter?“
Wer treibt den Teufel selbst zur wilden Flucht?
’ne alte, dürre, böse Schwiegermutter!
O, wer noch einsam in dem Leben steht
Und glücklich ist im Junggesellenfrieden, –
Hör‘ auf mein Wort, bevor in’s Garn er geht;
Gefreit ist leicht, viel schwerer ist geschieden.
Und bist Du wirklich nun im Ehejoch,
Denk‘ an die Lehr‘ des Reformator Luther:
Verschleuß Dein Haus, verstopf‘ das Schlüsselloch
Daß sich nicht einquartier‘ – die Schwiegermutter!
Quelle: „Deklamatorium“ -Erster Band-, herausgegeben von Robert Johannes,
Ostpreußischer Dialektrezitator