Hanne Schneidereit auf Entdeckungsreisen von Ernst Gardey
In Keenichsberch das Sonnche lacht,
das war de reinste Äppelpracht.
Am Sonntach frieh um Uhre nein
all zoch de Schneidereitcn rein.
Bekickte mich denn auch genau,
was einem intressiert als Frau.
Schaufensters voll von Modepuppen;
die waren forts sortiert in Gruppen:
hier wone, wo am Strand spazierten,
da sone, wo se konfermiertcn,
denn wieder sone fein in Wichs;
denn Freileins inne Unterbichs,
fast nuscht nich an. E Pupp hat nich,
wie unsereins, e „Schämstdirnich“.
Vons Schloß bis – ach, ich weiß nich wo,
Mensch findt sich nich zerecht gleich so,
fließt Wasser, das vergeß ich nich,
halb Keenichsberch is wässerich.
Teils heißt es Pregel und teils Teich;
an alle beide is es reich.
Der Pregel fließt an alle Ecken,
bewässert auch de Hafenbecken.
Der Schloßteich fließt im Oberteich,
mir scheint auch innem Hammerteich.
Auch gibt da noch e Zwillingsteich,
e Firsten- und e Kupferteich;
das teicht sich da wer weiß wie sehr;
wo kommt bloß all das Wasser her?
Se ham sogar e WasserfalL
Der kommt aus eine offne Hall
mank Schloßteich und mank Oberteich.
Son Wasserfall is wasserreich.
Mensch kann in ihm de Fieß sich baden.
Auf sowas sagen se Kaskaden.
Mank den steht nackicht e Marjell:
derweil um ihr das Wasser schnell
nach unten plätschert ins Bassäng,
steht still se da ohn ein Behäng.
Nich lebend, nei, das Los war sauer:
man Bronze vom Professor Cauer.
De Teiche liebt e jeder sehr,
sowohl Zevil wie Miletär.
Auf ihnen tun Studentchens kahnen,
in ihnen baden Herrn und Damen,
um ihnen tun se primmeniern,
dem „Kater“ meist spazieren fiehrn.
Am Schloßteich auffe Primmenad
geht mancher auffem Liebespfad.
Drum steht hier auch in Kält und Hitz
wie’n Amor da e Bogenschitz;
bekleidet mit e Feigenblatt,
wo’n andrer sonst de Bichsen hat.
Nich daß der Ärgerniß da macht,
e Menschenauflauf vleicbt entfacht;
er is ja man aus Bronz gegossen,
drum steht er da so unverdrossen.
E richtger würd das nich riskieren,
wo da de Freileins primmenieren.
Ei manchsmal bließ am Schloßteich auch –
wie das in Keenichsberch so Brauch –
e ganze Miletärkapell.
Im Sonntachsstaat peerscht manch Marjell
wie’n Fau sich denn beis Rumstolziern
von wegen Schancen beis Pussiern.
Ob Beinchens wie de Frau Marlene,
ob Trampels wie de Oderkähne,
ob Vamps mit Greta-Garbo-Blick,
ob nützlich, lendenlahm, ob schick,
ob mit, ob ohne Sommersprossen,
hier primmenierten rum de Gnosen
von zwelf bis an die achtzehn Jahr
wie im Salat Freind Adebar.
Das hädd mich da nich recht behacht,
das war mich wie e Kälbermarcht.
Auch pisackt mir allschonst der Hunger
vons stundenlange Rumgelunger.
E Kummche dicke Milch ich aß,
wobei ich beinah doch vergaß,
Farin mich auffem Schmand zu strein,
was ja de Kruchwirts nich berein,
weil nochmal se dem Muschkebad
gebrauchen könnten, wenn wer tat
e Kummche dicke Milch verlangen.
Denn bin spazieren ich gegangen.
De Straßen kreiz, de Straßen quer,
bis keine Straßen warn nich mehr;
bis auffem Veilcheberch ich stand,
wo ich paar Butterblumchens fand.
Rein wie zehaus, so scheen war hier.
Zoch aus das Kleid und lagert mir.
War keine Menschenseel zu sehn,
nu war es mich erst richtich scheen.
De Mickchens spielten inne Luft,
de Blumchens gaben sießem Duft.
Ich nahm e Maulche voll und lacht,
weil sowas Mensch doch Freide macht.
Denn wandert wieder ich retour,
wo mehr beleckt von die Kultur
de Welt Mensch wurde offenbar,
bis wieder inne Stadt ich war.
Ja, Keenichsberch is eine Stadt,
wo auffem Plotz gezogen hat
in seinen Bann mir wie verrickt:
ich bin von Keenichsberch entzickt!
Quelle: „Lorbasse und andere Leutchen“,
herausgegeben 1995 vom Verlag Gerhard Rautenberg, Leer