Wo krög de Jung de Wörd to höre? von Gustav Sieg
De Lehrer Knop, en strenger Mann,
Röp sick den Bur Lundschien mal ran:
„Was macht ihr Jung zu Hause blos?
Sechs Jahre alt ist er, und wie groß!
Den müssen sie zur Schule bringen,
Sonst wird sie Schulstraf dazu zwingen.“
„Herr Lehrer schönet,“ segt Lundschien,
„Eck heb noch nich geschlacht min Schwien,
Un uck de Höhner legge schlecht,
Drom ging dat Bringe nich so recht,
Denn’t es bi mi son ole Leier:
Nen Jung bring eck tur School met Eier!“
„Sie wissen“, säd de Lehrer dann,
„Auf ein’ge Wochen kommt’s nicht an,
Wenn sie sich ernstlich nur bemüh’n,
Ihr’n Sohn moralisch zu erzieh’n!“
„Herrje, se sulle blos man sehne,
Wie streng eck minen Jung do tehne!“
„Ei“, säd de Lehrer“, ist das wahr?
Denn einmal hörte ich sogar
Am Tag ihn schrei’n auf off’ner Straß“:
‚Hund, Kröte, Teufel, altes Aas‘.
Das kann man nicht Erziehung nennen.
Nein, Mores thut ihr Sohn nicht kennen!“
Da schleit de Bur sick vör den Kopp:
„Wie kömmt de led’re Krät darop?
Dat Raweaas, de doller Hund!
Na wacht, eck schlag em osterbunt!
Woon Düwel deit em dat blos lehre?
Wo kregt de Jung de Wörd to höre?“
Aus: „Humoristische plattdeutsche Charakterzüge aus Lithauen“
von Gustav Sieg