Morgengruß an den vergeblich kommenden Gerichtsvollzieher von Johannes Trojan
Ich weiß, Du kommst, um mich zu pfänden,
eiserner Scherge des Gerichts.
Ich kenn die Männer, die Dich senden,
doch diese Männer kriegen nichts.
Zwar Dein Bestreben scheint mir löblich:
Pflichteifer treibt so früh Dich her,
doch glaub mir, Freund, Du kommst vergeblich,
denn hier ist alles öd und leer.
Sieh hier ehmal’gen Reichtums Reste:
ein Portemonnaie mit nichts darin.
Dort an der Tür hängt eine Weste,
wenn sie Dir steht, dann nimm sie hin.
Sonst bieten nichts Dir diese Räume,
die suchend jetzt Dein Blick durchirrt,
denn Stiefelknecht und Gummibäume
gehören meinem Zimmerwirt.
Du siehst, hier ist nichts fortzuschleppen,
mich dauert, daß Du Dich bemüht.
Es sind so unbequeme Treppen,
geh hin, wo Pracht und Luxus blüht.
Noch ist es früh, genieß den Morgen,
was nutzt es, daß Du länger weilst.
Doch kannst Du, Freund, mir etwas borgen,
so tu’s, eh Du von dannen eilst.
Aus: Liederzyklus „Rinnsteinlieder“ von und mit Holger Münzer