Mein Regenschirm von Johannes Trojan

 

Einst in ein Wirtshaus kehrt‘ ich ein –
’s war nicht von erstem Range –
Doch weil vortrefflich war der Wein,
So trank ich viel und lange.
Da ließ ich beim Nachhausegehn
Den Regenschirm im Winkel stehn.

Ich kam zurück am Tag darauf,
Um mir den Schirm zu holen;
Den Wein auch sucht‘ ich wieder auf,
Der sich so gut empfohlen.
Aufs neu blieb beim Nachhausegehn
Mein Regenschirm im Winkel stehn.

Noch manchen Tag so ging es mir,
Wenn ich hinkam und zechte;
Der Wirt war aller Wirte Zier,
Der Wein genau der rechte;
Und wenn ich ging, blieb an der Wand
Mein Regenschirm da, wo er stand.

An einem Abend aber, da
Sich schwarz die Wolken türmten,
Dacht‘ ich des Schirmes, weil ich sah,
Daß andre sich beschirmten.
Ich sucht‘ und suchte hier und dort –
Vergebens alles! Er war fort.

Da hab‘ ich bei mir selbst gedacht:
Mein Schirm ist gutgeartet,
Hat manchen Tag und manche Nacht
Umsonst auf mich gewartet;
Ich schätz‘ ihn deshalb nicht gering,
Weil er zuletzt müd ward und ging.

Fortan bin ich in seiner Schuld,
Der mein mit Langmut harrte,
Jetzt ist’s an mir, daß mit Geduld
Auf ihn ich pass‘ und warte.
Hier will ich bleiben unbeirrt,
Vertrauend, daß er kommen wird.

Drum wer mich oft hier sitzen sieht
Auf diesem Platz, der denke:
Mein Regenschirm ist’s, der mich zieht
Hinein in diese Schenke.
Und seinetwegen trink‘ ich dann,
Weil ich nicht dürstend warten kann.

Schon wieder geht’s auf Mitternacht,
Und er ist nicht gekommen!
Ich saß und trank und hab‘ gewacht
Zu meines Schirmes Frommen.
Vielleicht noch kommt er, eh‘ es Eins – –
Herr Wirt! Noch einen Schoppen Weins!

Aus: „Scherzgedichte“, J.G.Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger Stuttgart und Berlin 1924